Mannesmann und kein Ende

Von Axel Wintermeyer, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Im Mannesmann-Prozess hat niemand gewonnen, auch nicht die Angeklagten, trotz Freisprüchen: Die Traditionsfirma, die dem Prozess den Namen gab, gibt es nicht mehr, ihre Reste wurden zerschlagen. Die Angeklagten sind frei von strafrechtlicher Schuld, doch wurden gravierende Verstöße gegen das Aktienrecht festgestellt. Und die Staatsanwaltschaft hat durch ungeschicktes Verhalten Spitzenmanager ein halbes Jahr auf die Anklagebank gezwungen, um am Ende mit leeren Händen dazustehen. Der Schaden für die Strafverfolger wie für die Wirtschaft ist groß. Das Land Nordrhein-Westfalen muss sogar Schadensersatz an Klaus Esser zahlen: Der Chef der Staatsanwaltschaft hatte ihn voreilig der „Käuflichkeit“ bezichtigt.

Also alles umsonst? Mitnichten. Der Prozess gab den stärksten Anstoß, über das Verhalten von Spitzenmanagern und ihre Abfindungen nachzudenken. Dabei fiel eines auf: Der Typus des über sein Unternehmen und die Mitarbeiter wachenden Patriarchen, der sich für die Firma aufopfert, ist verschwunden. An seine Stelle sind kühle Rechner getreten, börsenkurs-orientierte Technokraten, die beim Jonglieren mit Milliarden gelegentlich die Bodenhaftung verlieren. Wer wollte bestreiten, dass 30 Millionen Euro Abfindung für einen einzigen Manager für eine (gescheiterte!) Abwehrschlacht einfach unanständig sind? Wo bleibt der vor einigen Jahren mit viel Brimborium aus der Taufe gehobene Corporate Governance Kodex? Wo bleibt die Unternehmenskultur? Der Prozess hat eine einzigartige Sorglosigkeit im Umgang mit dem Vermögen der Aktionäre zutage gefördert. Das kann gerade vor dem Hintergrund unseres Bankenplatzes Frankfurt in dieser Form nicht weiterbetrieben werden. Wie war der Slogan der Deutschen Bank? „Vertrauen ist der Anfang von allem.“ Wie wahr! Wenn das Vertrauen in die Redlichkeit unserer Spitzenmanager verloren geht, wird auch die Bereitschaft der Mitarbeiter sinken, sich für ihre Firma einzusetzen – vielleicht auch einmal über den eigentlichen Feierabend hinaus. Siehe das Beispiel Daimler-Chrysler. Eine Parallele zur Politik tut sich auf: Das Fehlverhalten Einzelner wird auf die ganze Kaste übertragen und führt zu Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit. Deshalb: „Goldene Handschläge“ müssen in Zukunft verbindlich geregelt werden. Es kann nicht sein, dass ein Ausschuß des Aufsichtsrats, der noch dazu unvollständig besetzt ist, nach eigenem Gutdünken Prämien mit vollen Händen vergibt. So im Fall Mannesmann geschehen. Und abgesehen von der zivilrechtlichen Haftung: Auch über die strafrechtliche Seite muss nachgedacht werden. Der Untreuetatbestand des Strafgesetzbuchs muss genauer definiert werden. Ebenso wie das Aktienrecht. Der selbst genehmigte Griff in die Kasse des Unternehmens zur Verschönerung des Lebensabends in Form überhöhter Prämien sollte sich sehr wohl als Untreue einordnen lassen. Denn welchen Vorteil haben die Aktionäre, wenn ausgeschiedene Vorstandsmitglieder im Geld schwimmen, aber das Unternehmen aufgelöst wird?

Der Prozess warf aber auch ein Schlaglicht auf die Streitkultur in diesem Land: Das ganze Verfahren wurde von allen Seiten aufwendigst begleitet; von der „Gefährdung des Wirtschaftsstandorts“ bis hin zu Parolen, die an den Klassenkampf erinnern, reichte die Palette. Juristen vergaßen alles, was sie einmal gelernt hatten, und meldeten sich ohne Aktenkenntnis mit scharfen Stellungnahmen zu Wort. Nach dem Urteil wurden sogar die Todsünden bemüht, um das Verhalten der Freigesprochenen zu geißeln. So werden wir keinen Ausweg finden. Dadurch wird die Kluft nur vergrößert. Wir brauchen die Bereitschaft der Spitzenverdiener, ihre Gehälter und Prämien transparent zu machen und auch zu sagen, warum sie diese verdient haben. Aber auch das ehrliche Bemühen der Menschen, Höchstleistungen anzuerkennen und anderen den Erfolg zu gönnen. Alles in allem, der Freispruch im Mannesmann-Prozess war ein Freispruch 2. Klasse. Und dennoch, es war ein Prozess mit Potential für die Zukunft, der auch durch die mögliche Revision beim Bundesgerichtshof Chancen zum weiteren Nach- und Umdenken bietet. So kann Mannesmann zu einem Wendepunkt im Rechtsempfinden und in der Unternehmenskultur unseres Landes werden: Die Wirtschaftseliten müssen mehr Verantwortung für ihr Handeln übernehmen. Im Guten wie im Schlechten.