Interview mit Axel Wintermeyer, MdL, rechtspolitischer Sprecher und CDU-Obmann in der Verfassungsenquete-Kommission

Erschienen im Hessen Kurier, Ausgabe Dezember 2004

HK: Herr Wintermeyer, vor wenigen Tagen wurde das in der Enquete-Kommssion ausgearbeitete Papier zur Änderung der Hessischen Verfassung vorgestellt. Kann man von einem politischen Erfolg der CDU sprechen?
AW: Es ist der Erfolg derer, die sich zum Ziel gesetzt haben, unsere Verfassung behutsam, im Hinblick auf ihren historischen Charakter zu reformieren und unser „Fundament staatlicher Ordnung in Hessen“ den neuen Gegebenheiten anzupassen. Ich verhehle nicht, dass das Kompromisspapier, welches bisher schon von CDU, FDP und auch den Grünen getragen wird, in maßgeblichen Bereichen unsere Handschrift trägt.

HK: Welche zentralen Änderungen sieht der Kompromiss vor?
AW: Das reicht von der Aufnahme des Gottesbezugs in die Präambel über Familien- und Kinderrechte bis hin zur Festschreibung einer neuen sozialen Marktwirtschaft. Auch ist es gelungen, die Sozialisierung von Unternehmen, die Bodenreform, wie auch die Todesstrafe als völlig überholte und Grundgesetzwidrige Regelungen ersatzlos zu streichen.
Dass außerdem Kunst und Kultur wie auch die Förderung des Ehrenamtes als Staatsziel und zudem das Subsidiaritätsprinzip im Bereich der Staatsorganisation fest geschrieben werden, rundet das positive Bild aus Sicht der CDU ab.

HK: Gilt dieses auch für das Staatsziel Tierschutz und die Veränderung plebiszitärer Elemente?
AW: Man kann bei einem Kompromiss nicht nur Entgegenkommen Anderer erwarten. Tierschutz steht bereits im Grundgesetz und eine Stärkung der Bürgerbeteiligung an politischen Entscheidungen ist auch im Sinne der Hessenpartei CDU. Neben der Senkung der Zustimmungsquoren bei Volksabstimmungen auf Bundesniveau ist es gelungen, zukünftig die Verfassung auch mit einer 2/3-Mehrheit alternativ durch den Landtag zu ändern. Dass es nun auch eine so genannte Volksinitiative geben wird, die Berücksichtigung im Landtag finden soll, ist ebenfalls Standard in Deutschland.

HK: Dem Vernehmen nach hat ein CDU-Kompromisspapier die seit 1 ½ Jahren laufende und zuletzt festgefahrene Diskussion zu diesem positiven Ergebnis geführt?
AW: Tatsächlich stand die Arbeit der Kommission vor dem Scheitern. Zu verschieden waren die Auffassungen der Parteien über Inhalt und Umfang der Änderungen. Da schadet es nicht, dass man zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Vorschläge macht. Unser ursprüngliches Kompromisspapier ist Grundlage der nun veröffentlichten Vorschläge. Politik ist halt immer noch die „Kunst des Machbaren“.

HK: Was ist für Sie das Bemerkenswerteste an dieser Verfassungsreform?
AW: Erstens, dass die Parteien exemplarisch gezeigt haben, dass sie durchaus in der Lage sind, belastbare Kompromisse zu finden. Zweitens, dass eine Reform gefunden wurde, die übersichtlich ist und den historischen Wesensgehalt unserer Verfassung berücksichtigt. Und – für mich als Christdemokrat besonders wichtig, dass es uns nach 60 Jahren gelungen ist, nun endlich den Gottesbezug in unsere Hessische Verfassung aufzunehmen.

HK: Wie sieht nun der weitere Zeitplan aus?
AW: Es wird ein Gesetzentwurf vorbereitet über den der Landtag im nächsten Jahr beschließt. Die notwendige Volksabstimmung kann frühestens anlässlich der Bundestagswahl 2006 stattfinden. Es wäre begrüßenswert, wenn die Änderungen am 60. Jahrestag unserer Verfassung, am 1. Dezember 2006 in Kraft treten.