Der schöne Schein

Ein Beitrag von Axel Wintermeyer, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Therapeutisches Klonen – das muss doch was Gutes sein, könnte man meinen. Therapie – das soll doch dem Menschen helfen, wieder gesund zu werden. Dabei verbirgt sich dahinter etwas ganz anderes. Bundeskanzler Schröder will nach Presseberichten offenbar therapeutisches Klonen in Deutschland hoffähig machen – und sein Wirtschaftsminister Clement ließ gestern ähnliches verlauten. Beflügelt von neuen Forschungsergebnissen in Südkorea sehen sie die Möglichkeiten, die vor gar nicht langer Zeit im Bundestag mühsam gefundenen Kompromisse zur Stammzellproblematik auszuhebeln. Dabei sind die Regelungen des deutschen Embryonenschutzes, die damit auch auf dem Prüfstand stehen, erst im Jahr 2001 umfassend neu beraten und bestätigt worden.

Neu hinzugekommen sind damals Schutzregeln für menschliche Stammzellen, die eben nicht der freien Verfügbarkeit von Wissenschaft und kommerziellen Interessen unterliegen sollen – aus Respekt vor der menschlichen Schöpfung, vor dem menschlichen Leben an sich. Bundeskanzler Schröder hat bereits in der damaligen Debatte deutlich gemacht, dass ihn solche Aspekte weniger interessieren. Die Verlockung scheint in der Tat groß, die Heilung von Krankheiten in den Vordergrund zu rücken und dabei grundsätzliche Erwägungen hintan zu stellen. Wem würde es nicht gefallen, Kranke zu heilen, Lahmen zum Gehen, Blinden zum Sehen zu verhelfen? Unter diesen Gesichtspunkten betrachtet, bekommt das therapeutische Klonen biblische Ausmaße. Nur unter diesen Gesichtspunkten betrachtet? Nein, dies wäre zu kurz gedacht.

«Wunder gibt es immer wieder», heißt ein Liedtitel, aber wirkliche Wunder, eine unerklärliche, geradezu mysteriöse Heilung eines Kranken, sind sehr selten. Wenn man den südkoreanischen Forschern glauben darf, könnte in einigen Jahren eine Wunderheilung zur täglichen Erscheinung werden. Wir rühren damit nicht nur an Grundfesten unserer philosophisch-theologischen Überzeugungen, weil die Frage nach der Existenz der Wunder als eine verkappte Frage nach der Existenz und «Persönlichkeit» Gottes bezeichnet werden muss und «Wunder» dann in die menschliche Abwägungs- und Entscheidungshoheit gestellt würden.

Nein, wir müssen uns auch Gedanken über die wirkliche Natur des therapeutischen Klonens machen. Denn hier werden ja Frauen quasi zu «Eierproduktionsmaschinen» gemacht. Eizellenspenderinnen werden Hunderte von Eizellen entnommen, die anschließend entkernt werden, um die gewünschten Zellkerne von Hautzellen oder anderen Zellen in die Eizellen zu transplantieren und dann durch künstliche Befruchtung die Zellteilung anzuregen. Dadurch entsteht eine embryonale Stammzell-Linie verschiedener Funktionszellen, die durch Zell- oder Organtransplantation dem kranken Patienten eingepflanzt werden. Viele dieser künstlichen Befruchtungen führen jedoch nicht zum gewünschten Ergebnis, so dass die «überzähligen» Embryonen verworfen, also weggeschüttet werden. Abgesehen davon ist die Funktionsfähigkeit der aus Embryonen hergestellten Zellen fraglich.

Unabhängig von den Erfolgsmöglichkeiten muss jedoch ein Faktum klar festgehalten werden: Der Mensch verfügt hier frei über bereits erzeugtes menschliches Leben, wenn auch in einem frühen Stadium. Und man muss auch die Frage stellen, was es dem Erbkranken bringt, wenn man ihm Zellen mit eigenem Erbgut verabreicht, wo doch genau dieses Material «fehlerhaft» ist, also eigentlich der «Korrektur» durch weitere Mutationen bedürfte.

Was ist mit der Tumorfrage? Was soll die Zellen daran hindern, sich unbeschränkt weiter zu vermehren und einen Tumor auszulösen? Diese Fragen harren alle noch einer genauen Prüfung und Erforschung. Bedauerlich dabei ist, dass man sich diese grundsätzlichen Fragen während der laufenden Forschung stellen muss, anstatt eine geordnete, möglicherweise auch von den Vereinten Nationen moderierte weltweite Diskussion über Chancen und Risiken von Klonmaßnahmen zu haben.

Dies ist umso bedauerlicher, als auch die deutsche Bundesregierung bisher keinen großen Elan gezeigt hat, diesen Diskussionsprozess effektiv zu fördern. Als man die Chance hatte, eine weltweite Klonkonvention zu erreichen, hat die Bundesregierung diese Chance verstreichen lassen. Der Nationale Ethikrat, vom Bundeskanzler vor Jahr und Tag mit großem Brimborium installiert, hat auf die Politik der Regierung keinen erkennbaren Einfluss. Nebenher tagt noch die Ethikkommission des Bundestages. Wir müssen uns endlich einer tiefschürfenden und verbindlichen Diskussion in Deutschland stellen, um ethisch bedenklichen Schnellschüssen ein Ende zu setzen.