Schüleraustausch zum Thema „20 Jahre deutsche Wiedervereinigung“

Am Montag sind 20 Schülerinnen und Schüler einer 10. Klasse der Wiesbadener Werner-von-Siemens-Schule zu einem Schüleraustausch-Projekt nach Thüringen abgereist. In der im Saale-Orla-Kreis gelegenen Kleinstadt Pößneck werden sie eine Woche lang in thüringischen Familien leben, mit Gleichaltrigen zur Schule gehen und in verschiedenen Unterrichtseinheiten die Geschichte der deutschen Teilung und der Wiedervereinigung hautnah erleben. Der Chef der Hessischen Staatskanzlei, Staatsminister Axel Wintermeyer, erläuterte heute das Programm und die Beweggründe für die Initiative: „15-jährige Schülerinnen und Schüler kennen nur noch einen gemeinsamen deutschen Staat. Wir sehen uns aber in der Verantwortung, die Erinnerung an Mauer und Stacheldraht, an die Teilung unserer Nation und den Weg zur Wiedervereinigung wachzuhalten. Dieses Schüleraustauschprojekt ist ein Beitrag, mit dem Hessen und Thüringen Geschichte für junge Menschen erlebbar machen wollen.“

Der 20. Jahrestag der Deutschen Einheit stehe vor der Tür, dies sei Anlass gewesen, dass die deutschen Länder mit Veranstaltungen und Projekten an die Wiedervereinigung erinnern sollten. „Statt steifer Festveranstaltungen oder trockenen Vorträgen, sind wir in Hessen und Thüringen einen innovativeren Weg gegangen, um Zeitgeschichte denen zu erklären, die sie nicht mehr erlebt haben“, sagte Wintermeyer. Bundespräsident Christian Wulff hatte es kürzlich auf den Punkt gebracht: „Was für uns gelebte Geschichte der Teilung, der Wiedervereinigung und des Aufbaus Ost ist, sehen unser Kinder als Geschichte aus dem letzten Jahrhundert. Und jetzt ist es unsere Aufgabe, diese Geschichte für die nächsten Generationen noch erlebbar zu machen.“

Staatsminister Wintermeyer sieht dies als Ansporn und Herausforderung: „Wir wollen die Schülerinnen und Schüler aus Wiesbaden und Pößneck an authentische Orte von Teilung und Wiedervereinigung bringen, sie mit Zeitzeugen, z.B. ehemaligen Häftlingen von DDR-Gefängnissen, ins Gespräch bringen und mit Filmen in die Zeit vor mehr als 20 Jahren zurückversetzen.“ Auf dem Programm in Thüringen stehen u.a. ein Besuch im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig, ein Treffen mit dem Journalisten und Zeitzeugen von 1989, Siegbert Schefke, sowie der intensive Austausch der Schülerinnen und Schüler. Dies alles soll die persönlichen Eindrücke vertiefen. Die Neuntklässler werden dann am Sonntag gemeinsam nach Eisenach reisen, wo sie am Montag, 27. September, auf der Gemeinsamen Sitzung der Landeskabinette aus Hessen und Thüringen auf der Wartburg die Ergebnisse der ersten Woche präsentieren werden. Am Abend fahren die Schülerinnen und Schüler schließlich für die zweite Woche nach Wiesbaden. Hier stehen u.a. der Film „Die Frau vom Checkpoint Charlie“ und das Zusammentreffen mit Jutta Fleck, deren Lebensgeschichte darin verfilmt wurde auf dem Programm. Viele weitere Unterrichtseinheiten, eine Ausstellungseröffnung im Hessischen Landtag, der Besuch des Frankfurter Flughafens sowie abschließend ein Gespräch mit Hessens Ministerpräsidenten Volker Bouffier runden das Programm ab.

Das Wesen des Projektes besteht darin, dass sich hier Schüler treffen, die verschiedenste Erfahrungen, Ansichten, Kenntnisse und persönliche Erlebnisse einbringen. Der Thematik „20 Jahre deutsche Wiedervereinigung“ entsprechend kommen junge Menschen ins Gespräch, deren Eltern und Großeltern in beiden deutschen Staaten gelebt haben und damit persönlich Geschichtszeugen sind. Während die Schüler die Selbstverständlichkeit des Reisens von Hessen nach Thüringen erleben, erfahren sie auch bereits an der Stelle der ehemaligen innerdeutschen Grenze, dass sich hier politische Systeme gegenüber standen, dass hier für die Menschen der damaligen DDR „Ende“ war und dass Flucht mit dem Leben bezahlt wurde. Die Unterbringung in den Gastfamilien wird die individuellen Erfahrungen, insbesondere der Eltern widerspiegeln; sowohl die Sicht auf das Leben in der DDR als auch auf die erlebten 21 Jahre nach der Wende. Diese Sichtweisen werden sehr unterschiedlich sein und stark geprägt von eigenen Erlebnissen, politischen Haltungen und persönlicher Entwicklung.

Bei Interesse vermitteln wir Ihnen gerne auch die Möglichkeit, an einzelnen Programmpunkten des Austauschs teilzuhaben und darüber zu berichten.
Hintergrund:
Zum Entstehen der Schulpartnerschaft
Im Januar 2009 entstand aufgrund einer hessischen Initiative und auf der Suche nach einer Schulpartnerschaft durch einen persönlichen Kontakt einer Lehrerin der Wiesbadener Werner-von-Siemens-Schule der Kontakt ins thüringische Pößneck.“ Durch den Rektor der Staatlichen Regelschule Prof. Franz Huth wurde dieses Angebot angenommen. Es folgten gegenseitige Telefonate, Austausche über das Internet sowie im Oktober 2009 ein Besuch in Wiesbaden. Gemeinsam wurde der Partnerschaftsvertrag der beiden Schulen vorbereitet.

Anlässlich des 20. Jahrestages des Mauerfalls verbrachten Thüringer Schüler und Lehrer erlebnisreiche Tage in Wiesbaden. Im Beisein der Hessischen Kultusministerin Dorothea Henzler sowie der Thüringer Landtagspräsidentin Birgit Dietzel wurde auf einer feierlichen Veranstaltung der Partnerschaftsvertrag von Schulleitern und Schülersprecherinnen unterzeichnet. Am folgenden Tag präsentierten beide Schulen ein gemeinsames Programm vor Jugendlichen im Saal der Casinogesellschaft.

Im Frühjahr 2010 nutzten die Achtklässler aus Hessen ihre Exkursion nach Thüringen, um auch die Partnerschule in Pößneck kennenzulernen. Thüringer Lehrer machten als Stadtführer die Schüler mit Erfurt und Jena bekannt. Die Schüler der 10. Klassen aus Wiesbaden besuchten die Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald. Auch dort erfolgten zwei Führungen durch eine Thüringer Lehrerin, ein Besuch der Partnerschule schloss sich an.