Fußball und nationales Selbstbewusstsein

Ein Beitrag von Axel Wintermeyer, rechtspolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion

Die Fußball-Europameisterschaft in Portugal ist zu Ende. Es war eine EM der Überraschungen. Die „Großen“ sind ausgeschieden, die „Kleinen“ haben überzeugt. Leider konnten wir „unsere Jungs“ nach dem Vorrunden-Aus nicht mehr anfeuern.

Wer hätte schon geglaubt, dass die griechische Nationalmannschaft die Europameisterschaft im Olympia-Jahr 2004 nach Athen tragen wird? Wir freuen uns mit den Griechen und ihrem Nationaltrainer und merken wieder einmal, dass Europa näher zusammengerückt ist. Natürlich bewahrt jede Nation in dem zusammenwachsenden Europa der 25 ihre Identität. Natürlich hätte jeder gerne die EM gewonnen. Aber, Fußball, der uns in den letzten Wochen emotional fesselte, hat im polynationalen Europa eine besondere Aufgabe: er verbindet! Nicht nur auf dem sportlichen Spielfeld.

Das Beispiel Portugal zeigte uns, welche nationale Euphorie der Fußball entfachen kann. Hinter ihrer Mannschaft stand die ganze Nation. Der Alltag war vom „runden Leder“ beherrscht. Die Wirtschaftsprobleme, der politische Alltag, die Berufung des portugiesischen Ministerpräsidenten Baroso zum EU-Kommissions-Chef wurde nicht wahrgenommen. Alles wegen König Fußball und der Selecao, wie die Portugiesen ihre Auswahl nennen. Diese Euphorie kennen wir Deutsche auch: vor genau 50 Jahren kam es zum legendären „Wunder von Bern“. Hinter der Herberger-Mannschaft stand die ganze Nation. Und nach dem WM-Sieg hieß es: „wir sind wieder wer!“ Neben einem lang ersehnten kollektiven Freudenerlebnis wurde nationales Selbstbewußtsein gestärkt. Wie immer: Nicht 11 deutsche Fußballer hatten gewonnen, sondern „wir“, die Nation. Manch einer sagte damals, die Bundesrepublik wurde dreimal gegründet, 1949, durch das Wirtschaftswunder und durch den WM-Sieg 1954. Doch was bedeutet nationales Selbstbewusstsein? Der Spielmacher des deutschen Wirtschaftswunders Ludwig Erhard meinte hierzu: „In einer Welt, die immer mehr in die Weite strebt, bedarf ein freies Volk eines gesunden nationalen Selbstbewusstseins. Nur wer sich in sich selbst ruht und um seine Wurzeln weiß, wird diesen Weg gehen können, ohne sich zu verlieren.“ Diese Besinnung zu den Wurzeln braucht auch wieder der DFB und seine Mannen. Und warum sollte sich diese Aufbruchstimmung nicht auf den ganzen Staat auswirken wie 1954? Auch deutsche Fußballtugenden garantieren inzwischen alleine keinen Erfolg mehr gegen technisch und taktisch gut gerüstete internationale Konkurrenz. Ist dies nicht – wie Felix Magath sagte – sinnbildlich für den ganzen Staat?

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Analogien bieten sich hier durchaus an. Können Spieler noch erfolgreich als Mannschaft kämpfen, die in Sattheit, Wohlstand und Individualismus zu ertrinken drohen? Kann ein Staat noch erfolgreich sein, dessen Systeme ausgeufert sind und dessen Bürger sich mehr und mehr in Wahlenthaltung üben und das Vetrauen in ihre politischen Spielführer verlieren?


Vielleicht liegt im frühzeitigen Ausscheiden gegen die zweitbesetzte tschechische Elf auch für den deutschen Fußball und den Staat eine Chance. Möge sich die neu aufzustellende Elf mit ihrem neuen Trainer unter einer neuen DFB-Führung als Mannschaft der Nation begreifen. Die Nation wird mit Sicherheit bei der WM 2006 hinter ihnen stehen und sich an einer engagiert aufspielenden Elf ein Beispiel nehmen. Vielleicht kommt es dann spätestens 2006 zu einem „Wunder von Berlin…“